Kann eine Krise ein Glücksfall sein?

Krise als Glücksfall

Der Einstieg in eine Veränderung

Ein Ereignis wirft uns aus der Bahn

Immer wieder erlebe ich in meinen Beratungen Menschen, die davon berichten, wie sie durch ein Ereignis plötzlich und völlig unerwartet aus ihrem Leben gerissen wurden. Ein solches Erlebnis kann eine Krankheit, ein Vertrauensbruch in einer Beziehung, eine existentielle Erkenntnis in einem Seminar, ein Unfall oder auch eine Kündigung oder ein unerwartetes Scheitern in einem Projekt sein. Meine Klienten erleben ein solches Ereignis häufig als eine Krise. Sie werden aus ihrem Alltag herausgerissen. Ihre Lebensrealität ist für sie nicht mehr greifbar. Die Zukunft wird ungewiss und die Lebensziele rücken in weite Ferne. Es fehlt an Orientierung. Das, was ihnen bisher als gewiss galt, wird ungewiss. Die damit verbundenen Ängste lähmen. Es fehlt jegliche Energie, um etwas zu ändern. Der Tagesablauf besteht dann oft nur noch darin, die notwendigsten Routinen wie schlafen, arbeiten, essen und trinken irgendwie organisiert zu bekommen. Dann ist es wichtig, einen Menschen an seiner Seite zu haben, der ohne Eigeninteresse dabei hilft, wieder einen klaren Blick zu bekommen.

Ich bin komplett zusammengebrochen. Ein Gefühl von Druck auf der Brust, Panikattacken und Schlaflosigkeit waren die Folge. Der Kopf war leer, ich habe nur geweint und war nicht in der Lage, konstruktiv zu denken.

Martina Voss-Tecklenburg, ehem. Bundestrainerin der Frauenfußballmannschaft nach dem Aus der DFB-Frauen in der WM-Vorrunde 2023

Was hat zu der Krise geführt?

Oft mache ich in meinen Beratungen eine wichtige Erfahrung: Die Bedeutung eines solchen Ereignisses verändert sich, wenn man es in einen größerem Zusammenhang sieht. Eine Krise hat meistens eine Geschichte. Sie kommt nicht aus dem Nichts, sie kündigt sich an. In meiner Praxis für ganzheitliche Lebensberatung geht es immer darum, Lebensereignisse im Zusammenhang mit der Lebensgeschichte und der aktuellen Lebenssituation des Klienten zu sehen. Deshalb höre ich zunächst einmal nur zu und stelle Fragen. Was hat zu dem Ereignis geführt? Wie ist das Leben vorher verlaufen? Was waren die Ziele, die man verfolgt hat? Warum ist die Krise gerade jetzt eingetreten?

Der Mensch hat den Kontakt zu sich selbst verloren

Aus deren Erzählungen erfahre ich, wie die Menschen den Kontakt zu sich selbst verloren haben. Sie funktionieren wie Maschinen. Perfektionismus, Selbstoptimierung, Erfolg, Leistung und die Anerkennung anderer sind unbewusst zu ihrem Lebensinhalt geworden. Schwächen werden nicht akzeptiert, Niederlagen werden ignoriert und Fehler werden vertuscht. Die Signale, die der Körper bei einer solchen Überforderung sendet, werden nicht wahrgenommen. Führen sie zu Einschränkungen, werden sie mit Drogen und Medikamenten bekämpft. Der Mensch wird zu einem Objekt, dass Teil einer Wachstums- und Leistungsökonomie geworden ist. Damit ist der Weg in eine Krise vorgegeben. Die Spitze des Eisbergs zeigt sich darin, dass in der Bundesrepublik rund 4,2 Prozent der Erwachsenbevölkerung unter einem Burn-out-Syndrom leiden.

Es fällt schwer, über Gefühle zu sprechen

Wenn ich dann die Frage stelle: „Wie geht es dir?“ Höre ich zunächst ein routinemäßiges: „Mir geht es gut,“ das mich natürlich nicht zufriedenstellt. Beim Nachfragen wird es dann oft emotional. Mein Gegenüber kann meist mit Worten nicht mehr ausdrücken, wie es im geht. Noch schwieriger wird es, wenn ich frage:“ Wie fühlst du dich gerade jetzt?“ Über Gefühle zu sprechen, ist für Menschen, die in ihrer Alltagsroutine verlorengegangen sind, besonders schwierig.

Der Absturz in eine Krise kann zum Anlauf für einen neuen Höhenflug werden.

Ein Perspektivwechsel ist in einer Krise der Einstieg in die Veränderung

Zu Beginn meiner Beratungen versuchen wir zunächst einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Es geht darum, dass der Klient erkennt, auf welchem selbstzerstörerischen Weg er ist. Er lernt, die Signale und die Folgen dieser Krise zu interpretieren. So begreift er, wie wichtig eine Neuorientierung für ihn ist. Dann beginnt ein Weg, der anfangs nicht einfach ist. Alte Muster werden hinterfragt, Prägungen aufgedeckt und Blockaden erkannt. Neue Verhaltensweisen, die von Herzen kommen, werden erkannt und eingeübt. Schritt für Schritt verändert sich der Mensch in seiner Haltung, seinem Selbstbewusstsein und seiner Einstellung zu seinem bisherigen Leben. Erleichterung, Freude und Zuversicht kehren zurück. Eine neue Arbeitsstelle, neue Freunde, ein neues soziales Umfeld, Hobbies und eine sinnstiftende Tätigkeit verschaffen ihm ein neues Lebensgefühl. Er beginnt, sich mit dem Sinn seines Lebens auseinander zu setzen. So wird die anfangs empfundene Krise zu einem Glücksfall, der rechtzeitig für einen Wandel gesorgt hat.

Lesen Sie dazu auch meinen Artikel "Die Krise der Ahr-Männer"

In meiner Praxis für ganzheitliche Lebensberatung begleite, berate und trainiere ich Menschen, die auf der Suche nach einer Neuorientierung sind.