Die Krise als Wendepunkt für Männer
In meiner Tätigkeit als Gutachter war ich zwei Jahre lang regelmäßig an der Ahr. Die Flutkatastrophe dort hat nicht nur Häuser und Existenzen zerstört, sondern auch seelische Wunden hinterlassen. Erstmals konnte ich in aller Deutlichkeit und wiederholt wahrnehmen, wie Männer mit Trauer und Krisen umgehen. Gespräche mit ihnen zeigten, wie stark sie die Flutkatastrophe und deren Folgen innerlich verletzt hatten.
Hinzu kam die empfundene Ungerechtigkeit bei der Bewältigung dieser Krise. Dennoch versuchten sie, stark zu bleiben, sich selbst und ihre Familien zu schützen – doch irgendwann, manchmal erst nach Jahren, stoßen sie an ihre Grenzen. Dann haben keine Kraft mehr, sich gegen die anschwellenden Gefühle zu wehren. Trauer, Wut, Verzweiflung, Scham und Perspektivlosigkeit machen sich breit.
Solche Situationen kenne ich jedoch nicht nur von meinen Terminen an der Ahr. Nicht nur Naturkatastrophen oder Schicksalsschläge lösen Krisen aus. Auch berufliche Rückschläge, das Ende einer Partnerschaft oder der Eintritt in eine neue Lebensphase können Männer in eine tiefe Unsicherheit stürzen.