POD005 – Die Macht der sozialen Medien
Vor ein paar Tagen habe ich mir den Spielfilm „Die Truman-Show“ mal wieder angeschaut. Truman wird in einer für ihn geschaffenen Welt von Millionen Menschen täglich beobachtet. Sein ganzes Leben, von Geburt an, findet auf einer Bühne statt, ohne dass er es weiß. Alles was er erlebt, wird inszeniert damit andere sich daran erfreuen. Der Erschaffer dieser Welt erwirbt damit viel Macht und ein Vermögen, weil er Produkte in den Aufzeichnungen über das Leben von Truman platziert und damit viel Geld verdient. Per Zufall entdeckt Truman als junger Mann, dass er in einer inszenierten Scheinwelt lebt und nicht als Mensch, sondern als Objekt einem anderen dient. Es gelingt ihm, den Spuk zu beenden und ein selbstbestimmtes Leben in der Realität zu beginnen.
Es geht nicht nur um Werbung, es geht um unsere Haltung
Der Film erschien vor 20 Jahren und stellt dar, was heute für uns Realität geworden ist. Je nachdem, wie stark wir unser Leben in der digitalen Welt präsentieren, wird uns von ihr eine Scheinwelt vorgegaukelt, die uns auf subtile Art manipulieren will und Macht über uns hat. Dabei geht es nicht nur um Werbung für bestimmte Produkte. Es geht vielmehr darum, unsere Haltung, unsere Gedanken und letztendlich unseren Charakter zu beeinflussen. Dahinter stecken wirtschaftliche Interessen und politisches Kalkül. Wer hätte vor einigen Monaten daran gedacht, dass die Wahl in Amerika und der Brexit möglicherweise mit der Unterstützung von Facebook gezielt beeinflusst worden sind und es jetzt Befürchtungen gibt, dass sich dies bei der nächsten Europawahl wiederholen wird.
Es gibt keinen Exit
Truman konnte die für ihn entwickelte Scheinwelt durch eine Tür verlassen. Diese Möglichkeit haben wir nicht. Das Internet ist zum festen Bestandteil unserer Lebenswelt geworden und wir hinterlassen dort Spuren und Informationen, ohne genau zu wissen wo und in welcher Form. Ein Exit aus dieser Macht ist nicht möglich. Wie verhalten wir uns also? Wie geht es Ihnen, wenn Sie darüber nachdenken, dass Facebook Ihre Daten, die Sie dort in den letzten Jahren veröffentlicht haben gezielt auswertet, daraus ein digitales Profil über Sie erstellt hat und dies nun an Unternehmen und Organisationen verkauft, die Sie gezielt durch manipulierte Informationen beeinflussen wollen?
Wir nehmen die Beeinflussung nicht mehr wahr
Es geht aber meines Erachtens nicht nur um das, was derzeit möglich ist. Unsere vielfältigen persönlichen Daten sind auf ewig im Datennetz gespeichert. Insbesondere die der jüngeren Generation, deren Leben sich, ähnlich wie bei Truman, von Geburt an zurückverfolgen lässt, lassen Rückschlüsse auf deren gesamtes weiteres Leben zu. Google, Facebook und viele andere wissen jetzt schon Dinge über sie, die sie selbst noch nicht einmal ahnen. Dank immer feiner abgestimmter Algorithmen, unermesslicher Speicherkapazitäten und immer leistungsfähiger Prozessoren sind mit Big Data Systeme entstanden, die deren Besitzern personifizierte Nachrichten in unermesslicher Zahl verbreiten lässt. So wird mit viel Macht gezielt Einfluss auf unser Verhalten genommen, ohne dass es uns bewusst wird. Wenn Versicherungen, Banken, Universitäten, Arbeitgeber und staatliche Institutionen einmal Zugriff auf dieses Datenmaterial bekommen, ist unsere Freiheit gefährdet und unsere Entfaltung zu einer individuellen Persönlichkeit in hohem Maße eingeschränkt.
“Bis zum heutigen Tage wissen wir nicht, welche Daten Cambridge Analytica hat.“
Sheryl Sandberg, für das operative Geschäft bei Facebook zuständige Top-Managerin
Doch, was können wir tun, um dies zu verhindern? Die Möglichkeiten jedes Einzelnen von uns sind eher gering. Hier ist zunächst einmal der Gesetzgeber gefragt. Er muss ein Regelwerk erlassen, das die Nutzung der Daten klärt und er muss die Einhaltung dieser Regeln überwachen. Mit der neuen Datenschutzgrundverordnung ist ein solches Regelwerk mittlerweile auf europäischer Ebene auf den Weg gebracht. Ob es ausreicht und den notwendigen Schutz bietet, wird sich zeigen.
Wir können etwas tun
Wir stehen diesen Systemen jedoch nicht ohne Macht gegenüber. Zunächst sollten wir klären, welche wir nutzen und warum wir das tun. Gibt es Alternativen? Warum nutzen Sie soziale Medien? Was versprechen Sie sich davon? Datensparsamkeit ist ein weiteres wichtiges Stichwort. Vermeiden Sie es, Ihr gesamtes Leben, inklusive Ihrer Emotionen und Einstellungen preiszugeben und vor allem – halten Sie sich zurück, wenn es um Ihre Kinder geht. Beschränken Sie sich z. B. auf eine Rolle, mit der Sie in den sozialen Medien unterwegs sind. Das kann ein Hobby sein, wie z. B. Weinliebhaber, Wanderfreund oder Mountain-Biker. Präsentieren Sie sich nur in dieser Rolle und sind Sie sparsam, wenn es darum geht, andere Informationen preiszugeben. Löschen Sie alte Informationen zumindest dort, wo Sie einen Zugriff haben. Legen Sie Pausenzeiten von 1 – 2 Wochen ein, in denen Sie wieder Abstand gewinnen und erleben, wie stark Ihre Abhängigkeit von der digitalen Welt ist.
Wir müssen alles tun, um auch im Netz Mensch zu bleiben
Ich halte es für unsere Zukunft als freie Menschen sehr wichtig, dass wir Gestalter unseres Lebens und dessen Umfeld bleiben und nicht in die totale Abhängigkeit von der digitalen Welt und deren Macht verfallen. Wir müssen verhindern, ähnlich wie Truman, zu Objekten in der digitalen Welt zu werden. Nur so bewahren wir unser Menschsein.