Resonanz-Prinzip in der Führung

Resonanz ist unverfügbar und kann nicht geplant werden

Resonanz heißt in der Akustik, dass zwei schwingungsfähige Körper miteinander in Beziehung treten (resonare = zurücktönen). Sie ist ein menschliches Grundbedürfnis und eine Grundfähigkeit. Wir können mit anderen Menschen resonant sein, mit Dingen, mit der Natur, der Kunst, der Religion. Sie kann auch bei der Arbeit entstehen, wenn ich z. B. an einem Konzept arbeite und sich dabei meine Einstellung zu einem Thema verändert. Da alles schwingt, können wir folglich auch mit allem in Resonanz treten. Resonanz bedeutet, berührt oder bewegt zu werden. Etwas hat mich erreicht. Sie bedeutet folglich nicht Konsonanz, Harmonie oder Gleichklang. Resonanz ist das zwischen der Dissonanz und der Konsonanz. Wenn wir uns z. B. alle einig sind über ein Erlebnis, ist sie das nicht. Sie tritt da ein, wo wir über etwas Streiten.

Resonanz kann man jedoch nicht anordnen. Sie ist die Folge einer Begegnung, die auf Wertschätzung und Respekt aufbaut. Diese beginnt damit, sein Gegenüber als individuelle Persönlichkeit zu sehen. Führung mit Resonanz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit haben, ihre Potentiale und Fähigkeiten zu entfalten. Sie benötigen verlässlicher Rahmenbedingungen, um autonom und eigenverantwortlich entscheiden zu können. Nur erfahren sie die Selbstwirksamkeit, die sie als Sinn stiftend empfinden.

Es findet eine Transformation statt

Resonanz heißt also nicht Zustimmung, sondern eine Reaktion zeigen. Sie ist auch nicht die Stärkung dessen, was schon immer war. Sie beruht auf Veränderung dessen, was ist. Es geht darum, sich berühren zu lassen und darauf zu antworten, emotional, körperlich und gedanklich. Somit ist sie nicht auf Wachstum, Verbesserung oder Steigerung ausgerichtet. Sie ist im Gegenteil die Grundlage für Achtsamkeit und Entschleunigung. Es geht darum, anders mit sich selbst und der Welt in Kontakt zu kommen. Es findet eine Transformation statt. Nach einer solchen Berührung bin ich ein anderer.

Resonanzbeziehungen können nicht systematisch hergestellt werden. Wir können nicht sicher sein, das Resonanz entsteht. Wir können sie nicht erzwingen, sie ist unverfügbar. So kann es sein, dass mich ein lang geplanter Konzertbesuch mit besonderen Musikern weit weniger berührt als eine zufällige Begegnung mit einem Straßenmusiker in einer Fußgängerzone.

Eine Resonanzsituation lässt sich nicht steigern, verbessern oder abspeichern. Selbst wenn ich einen Film von einem besonderen Erlebnis erstelle, kann er niemals die Wirkung des realen Erlebnisses festhalten. Ihre Wirkung lässt sich auch nicht vorhersagen. Wenn wir mit etwas oder jemanden in Resonanz treten, wissen wir nicht, was dabei herauskommt. Ich lass mich auf etwas ein und ich weiß nicht, was das Ergebnis sein wird.

In der Resonanz lassen wir uns auf Prozesse ein, deren Ausgang wir nicht kennen

Resonanz ist nur unter bestimmten Verhältnissen möglich. Wenn ich sie erzeugen will, muss ich etwas zu sagen haben, was mein Gegenüber berührt, interessiert oder emotional anspricht. Das, was ich von mir gebe, muss eine Reaktion hervorrufen. Wir können auch nur in Resonanz treten, wenn wir uns öffnen und darauf einlassen, nicht zu wissen, was dabei herauskommt. Wir müssen uns auf Prozesse einlassen, bei denen wir nicht wissen, was das Ergebnis ist. Das birgt auch ein Verletzungsrisiko oder ein Scheitern.

Resonanzen sind wichtige Voraussetzungen für Innovationen. Wer sich ständig absichert, keine Fehler machen will und alles genau vorausplanen möchte, kann nicht in Resonanz treten und wird sich nicht verändern.

Das Resonanz-Prinzip widerspricht der Zielorientierung, Effizienz und Effektivität. Es ist eine Alternative zum ständigen Streben nach Wachstum und Nutzenorientierung.

In Zeiten der Beschleunigung und Selbstoptimierung bleiben Resonanzbeziehungen jedoch auf der Strecke. Menschen, die in Angst sind, unter Stress geraten oder im Zeit- oder Wettbewerbsdruck sind, können sich nicht auf sie einlassen. Sie werden zu ferngesteuerten Objekten, ohne es zu merken.

Wenn wir z. B. mit den Klängen eines Gongs in Resonanz treten, sind wir offen, um uns von den Klangwellen berühren zu lassen, aber gleichzeitig geschlossen genug, um selbst tönen zu können. Dann wirken sich die Klänge auf Hautwiderstand, Atmung, Körperspannung, Herzfrequenz und mehr aus. Die Schwingungen der Gongs bringen unseren Körper in Schwingung. Der gesamte Raum in dem wir und befinden wird zu einem Klangkörper, in dem wir mitschwingen. Durch die Schwingungen lösen sich Blockaden, körperlich, geistig und seelisch. Wir kommen in einen Zustand der Entspannung.

Resonanz setzt Absichtslosigkeit und Vertrauen voraus

Wenn wir mit Menschen in Resonanz treten wollen, bedeutet dies, dass wir uns zunächst einmal absichtslos vertrauen. Sie entsteht in der persönlichen Begegnung und im Gespräch. Das merken wir, wenn wir intensiv miteinander kommunizieren und am Ende ein Ergebnis herauskommt, das wir niemals hätten planen oder voraussagen können und alle Beteiligten eine Veränderung bei sich und beim anderen spüren.

Das Resonanz-Prinzip eignet sich meines Erachtens auch besonders bei der Führung von Menschen und Unternehmen. Offenheit, Vertrauen, Achtsamkeit, Reflektionsfähigkeit und Empathie sind wichtige Grundlagen. Dann erleben wir im Gegenüber ungeahnte Fähigkeiten und entdecken Chancen für das eigene Wachstum.

Wirkt Führung mit Resonanz gegen den Fachkräftemangel?

Das Zukunftsinstitut von Mathias Horx schreibt in seinem Zukunftsreport zu dem Thema Führung mit Resonanz: „Das effektivste und nachhaltigste Rezept für Betriebe im Kampf gegen den Fachkräftemangel ist die Stärkung der Resonanzfähigkeit des eigenen Unternehmens. Es geht um das Gefühl, dass die eigene Arbeit wirklich einen Unterschied macht, im Kontext eines größeren Zusammenhangs. Wem es möglich ist, diese Art von Selbstwirksamkeit zu erfahren, erlebt nicht nur selbst eine wertvolle Resonanzerfahrung während seiner Arbeit, sondern strahlt diese Zufriedenheit und Offenheit genauso nach außen aus.“ So wirkt das Resonanzprinzip.

Franz-Josef König arbeitet als Strategieentwickler für mittelständische Unternehmen. Er begleitet sie in Veränderungsprozessen und bei der Neuausrichtung der Unternehmensstrategie. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich mit dem systemischen Denken und Komplexität. Dabei ist das Resonanz-Prinzip ein wichtiger Aspekt bei seiner Arbeit geworden. Es beachtet es persönlich und weist auch seine Kunden auf dessen Bedeutung hin. Zudem hält er Vorträge zum Thema Resonanz und verdeutlicht das Prinzip mit seinen Instrumenten als Klangimpressionist.